[2] Toiletten 2. Stock

[Arztpraxis von Dr. Umeda]

Cai war mit Mizuki zusammen so schnell wie möglich von der Arztpraxis 'geflüchtet' und schliesslich bei den Toiletten gelandet. Der Ältere war nicht vor Dr. Umeda weggerannt, weil er vor ihm Angst hatte - ganz im Gegenteil, am Liebsten hätte er ihn nochmals eine reingehauen. Es war vielmehr, weil Cai sich so aufregte und er sich so schnell wie möglich wieder beruhigen musste, damit er sich nicht in einen Wolf verwandelte. Mit schnaubendem Atem stützte er sich nun auf eines der Spülbecken und liess den Kopf hängen.
"Mizuki...", sagte er, die Zähne zusammen gebissen. "Ich..." Er blickte in die Richtung des Mausjungen. "Es tut mir so Leid! Ich hätte das nicht zulassen dürfen! Warum habe ich denn nichts gemerkt...?!" Er ballte seine Hände zu Fäusten und versuchte, gleichmässig zu atmen und sich zu beruhigen, doch das war beinahe unmöglich - genauso, wie sich jetzt zu verwandeln. Wenn Mizuki gleich nebenan stand, war es viel zu gefährlich, er könnte ihn verletzen - und das wollte er nicht schon wieder tun. Er musste sich sehr beherrschen, nicht die Spiegel an der Wand einzuschlagen oder sonst etwas kaputtzumachen.

[Arztpraxis von Dr. Umeda]

Besorgt sah Mizuki Cai an. Er sah wütender und trauriger aus, als Mizuki sich selber fühlte. Vorsichtig trat er etwas näher zu Cai, welcher sich über das Lavabo beugte.
"C-Cai", traute Mizuki sich zu sagen. "I-ich..." Tränen stiegen Mizuki in die Augen. Es tat ihm weh, Cai so ausser Fassung zu sehen - und alles doch nur wegen ihm!
"Cai...du-du kannst nichts dafür, ich meine..." Mizuki schluchzte auf. "Ich meine...ich hätte mich früher...mehr wehren sollen...es tut mir Leid!"
Von Schluchzern geschüttelt trat er ein paar Schritte auf Cai zu. "Bitte..bitte sei nicht wütend!" Er streckte die Hände aus, bekam einen Ärmel seines weissen Shirts zu fassen. Ganz leicht zog er daran. "Cai!..."
Seine Stimme brach beinahe, während ihm eine einzelne Träne über's Gesicht lief. Seine Öhrchen lagen traurig auf seinem Haar, und er fühlte sich schuldig dafür, dass Cai sich schlecht fühlte. "Cai.."

Cai's verkniffene Miene löste sich rasch, als er sah, das Mizuki zu weinen begonnen hatte. Er wusste nicht, was er tun sollte und als der Mausejunge so verzweifelt an seinem Shirt zog, schlang der Dunkelhaarige seine Arme um den Kleinen und tätschelte vorsischtig seinen Hinterkopf. "Mizuki... du trägst keine Schuld. Du solltest doch sauer sein, schliesslich hätte ich den Doktor auch schon früher stoppen können."
Er drückte den Jungen fest an sich. "Es tut mir ja so Leid! Ich wollte doch immer, dass dir nichts passiert - und dann sowas... das kann ich mir nie verzeihen..." Nun flüsterte er und er spürte, wie langsam Tränen in ihm aufstigen, so wütend war er auf Dr. Umeda und sich selbst.

Mizuki stiess einen leisen, leicht erschrockenen Laut aus, als Cai ihn in seine Arme zog. Einige leise Schluchzer kamen aus seiner Kehle, und seine Tränen benässten Cai's T-Shirt. "Hö-Hör auf damit, dir die Schuld zu geben...Es..Es ist ja gar nichts passiert..", brachte Mizuki heraus.
Er schlang die Hände um Cai's Hüften und drückte seinen kleinen Körper fest gegen den muskulösen Cai's. Er fühlte sich wunderbar geborgen und sicher und er wünschte sich, Cai würde sich auch irgendwie wohl fühlen.

Cai löste sich langsam von Mizuki, hielt jedoch immer noch seinen Kopf fest. "Es ist etwas passiert! Tu nicht so, als wäre nichts gewesen!", sagte er leicht aufbrausend und schaute den Kleinen besorgt an.
"Mizuki...", begann er, "versprich mir, dass du, falls so etwas noch einmal passiert und ich dir... wieder nicht helfen kann... dass du dich dann wehrst ja? Lass dich nicht nocheinmal von jemandem anfassen, klar?"

Mizuki wollte sich nicht von Cai lösen, viel konnte er ja aber nicht dagegen machen. Er versuchte ein schiefes Lächeln nach Cai's ersten zwei Sätzen. "Mir geht's wirklich ... gut." Vor allem, seit du mich umarmt hast, fügte er in Gedanken hinzu, und er wischte sich über die Augen.
"Ich..." Irgendwie war es Mizuki peinlich, was Cai sagte...die Person, von der er angefasst werden wollte, stand genau vor ihm.
"Klar", murmelte er, und sah auf seine Schuhe, mit denen er am Boden die Buchstaben zu Cai's Namen schrieb.

Es war zwar nicht so, dass Cai dem Kleinen glaubte, was sein Wohlbefinden betraf, doch er wollte auch nicht mehr länger darüber diskutieren.
"Klar? Du sollst er mir versprechen, und mich dabei ansehen, sonst glaube ich dir doch nicht...!", meinte Cai und seufzte leise.
Erst jetzt fiel ihm auch wieder ein, dass der Mausjunge obenrum ja noch immer nackt war und kurzerhand zog der Dunkelhaarige sein weisses Shirt aus und stülpte es Mizuki über den Kopf. "Nicht, dass du dich noch erkältest", erklärte er leise und wartete darauf, dass der Junge vor ihm etwas sagte.

Mizuki lächelte schief über Cai's Rüge, wobei er etwas errötete.
"Aber..." Er schaffte es endlich, in Cai's Gesicht zu sehen. "Ja, ist gut.", schaffte er zu sagen, während er in Cai's dunkle Augen sah. Natürlich verwirrten ihn diese Augen, und er musste den Blick abwenden.
Dann schaute er - jetzt wieder mal knallrot - zu, wie Cai sein Shirt auszog. Mizuki konnte sich nicht davon abhalten, Cai's maskulinen Körper anzuschauen - seine ausgeprägten Muskeln, welche nicht von irgendwelchem Training stammten, sondern ganz einfach durch Cai's Hobbies entstanden, die kleine Narbe an der Hüfte, von welcher Mizuki nicht genau wusste, woher sie stammte...Mizuki mochte alles.
Als Cai dann das weisse Shirt Mizuki anzog, wusste dieser nicht mehr, was er denken sollte. Er schaute an sich hinab, wobei ihm auffiel, dass Cai's Shirt ihm viel zu gross war - typisch Maus. Die Ärmel, welche bei Cai bis zum Ellenbogen gingen, reichten Mizuki bis in die Mitte der Unterarme, der Saum reichte ihm bis über den Hintern.
"Danke...", meinte Mizuki scheu, und richtete seine grossen Augen von seinen Füssen auf Cai's. Von da aus tasteten sie jeden Millimeter seines Körpers ab - von den Schuhspitzen bis zu seinen Haaren. "Aber...was ist mit dir? Ich meine...wirst du nicht krank?"

Cai nickte. "Gut." Dann lächelte er, was zu einem leisen Lachen überging, als Mizuki sich das Shirt übergezogen hatte - natürlich war es dem Jungen viel zu gross.
"Kein Problem", meinte er. "Hast du das schon wieder vergessen? Ich könnte jetzt auch nackt draussen rumlaufen und mir wäre nicht kalt - dir hingegen schon. Also mach dur keine Gedanken." Cai lächelt über Mizuki's Vergesslichkeit.
"Aber...", sein Lächeln wurde schmaler, "Jetzt wissen wir ja nicht, was mit dir los ist. Wobei ich ehrlichgesagt langsam nicht mehr glaube, dass es an einer Krankheit liegt oder so." Ein etwas trauriger Ausdruck breitete sich auf dem Gesicht des Grösseren aus und er begann, sich mit dem Ende des Shirtärmels zu beschäftigen.

"Oh..ja klar, stimmt." Mizuki grinste bei dem Gedanken. Von wegen nackt herumlaufen...er lachte ganz leise auf.
Mizuki gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, als Cai sagte, dass er nicht mehr an eine Krankheit glaube.
"W-was denkst du dann?", fragte er nervös und schaute auf seine ineinanderverschränkten Finger, dann auf Cai's Hand, die an seinem Unterarm lag, da, wo der Saum des Ärmels war.

"Naja...", meinte Cai und überlegte wie er es am besten erklären konnte. "Wie soll ich sagen... Du hast dich in letzter Zeit echt anders verhalten und ich denke, das ist wegen Lyall, oder?"
Nun nahm der Ältere seine Hand von Mizuki's Arm und verschränkte seine eigenen vor der nackten Brust.
Innerlich seufzte er - es war ihm schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass der Mausjunge, wenn er, Cai, Lyall und manchmal auch die anderen, etwas zusammen unternahmen, sich anderst benahm.

"Was!?" Mizuki trat einen Schritt zurück. "Das ist gar nicht wahr! Ich meine...ich...das ist doch nicht wegen Lyall! Ich meine, ich hab ihn lieb...er ist nett und so ... all das, aber..andere sind das auch." Aber niemand ist so wie DU!, fügte er in Gedanken noch an.
Cai hatte seine Reaktionen völlig missverstanden! Das lag nur daran, dass sie immer alle zusammen waren...
Dennoch schmerzte Mizuki die Vorstellung, und er sah Cai wütend und verletzt an. Wieso verstand er ihn denn nicht?
Konnte er denn nicht wenigstens erahnen, was Mizuki für ihn empfand?

Cai war etwas erstaunt darüber, dass Mizuki so ausflippte, hörte ihm jedoch erst einmal zu. Doch wiso sah der Kleine ihn so verletzt und wütend an?
"Komm schon, du musst dich ja nicht gleich so aufführen - und sonst a
hast du mir doch auch immer die Wahrheit erzählt, nicht?" Cai wusste nicht mehr, ob Mizuki ihm eigentlich noch vertraute und es machte ihn etwas traurig, schliesslich konnten er und der Mausjunge doch über alles reden. Aber wenn es um eine dritte Person ging, schien das nicht möglich.
"Denk einfach... An unser Versprechen, ja?", meinte er noch und trat dann neben Mizuki durch und anschliessend nach Draussen.

[Wald]

"Ich...natürlich sag ich dir die Wahrheit!", sagte Mizuki noch, mit leichter Verzweiflung in der Stimme. Er spürte, wie wieder Tränen in ihm aufstiegen. Natürlich hätte er Cai sagen können, was er wirklich empfand, jedoch hatte er viel zu viel Angst, dass dieser ihn nur auslachen, oder nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte - was noch viel schlimmer wäre.
"Cai..!", rief er ihm leise nach, während seine Stimme brach.
Eine ganze Weile stand er noch versteinert da, dann trat er vor einen der Spiegel, und sah sich an.
Das Shirt Cai's hing an ihm herab wie an einer Puppe, und vorsichtig hob Mizuki einen Arm. Die Figur im Spiegel tat dasselbe. Er hielt sich den Ärmel Cai's Shirtes vor die Nase - es roch nach ihm - nach Wald, etwas herb, aber sehr angenehm.
Mizuki biss sich auf die Lippe. Instinktiv wusste er, wo Cai hingegangen war - bestimmt war er im Wald!
Mizuki sah sein Ebenbild entschlossen an. "Ich muss ihm die Wahrheit sagen!", nahm er sich fest vor, dann lief er los.

[Wald]